Stammzelltherapie für COVID-19 – Einblicke in die MSC-Behandlung von Prof. Dr. Erdal Karaöz

Stammzelltherapie für COVID-19 – Einblicke in die MSC-Behandlung von Prof. Dr. Erdal Karaöz
Stem Cell Theraphy for COVİD 19

Aus der Sicht eines Arztes: Der Wendepunkt der Pandemie

Von Prof. Dr. Erdal Karaöz & Dr. Duygu Koyuncu Irmak

Prof. Dr. Erdal Karaöz ist einer der weltweit führenden Experten auf dem Gebiet der Stammzellforschung und hat in Harvard und Oxford geforscht.
Dr. Duygu Koyuncu Irmak ist ein Spezialist für regenerative Medizin mit Schwerpunkt auf Stammzelltherapien für Immun- und Viruserkrankungen.

Stammzelltherapie für COVID-19 – Als sich COVID-19 weltweit auszubreiten begann, wurde klar, dass viele der Mittel, auf die wir uns bisher verlassen hatten – Virostatika, Sauerstoff, Plasma – oft nicht ausreichten. In der Anfangsphase wirkten die Behandlungen reaktiv und unsicher. Für diejenigen von uns, die in Krankenhäusern arbeiten, war es frustrierend und schmerzhaft, mit anzusehen, wie sich der Zustand der Patienten trotz unserer Bemühungen verschlechterte.

Inmitten dieser Dringlichkeit stach eine Therapie besonders hervor: mesenchymale Stammzellen (MSCs). Frühe Studien, insbesondere die von Dr. Duygu Koyuncu Irmak und Prof. Dr. Erdal Karaöz, gaben uns einen Einblick in einen neuen Ansatz – nicht nur zur Linderung von Symptomen, sondern zur tatsächlichen Geweberegeneration und Immunregulation. In diesem Artikel wird untersucht, wie die MSC-Therapie die Diskussion über die Behandlung und die Stammzelltherapie für COVID-19 neu gestaltet hat.

SARS-CoV-2: Was das Virus wirklich im Körper anrichtet

Wir haben gelernt, dass SARS-CoV-2, das für COVID-19 verantwortliche Virus, nicht nur in der Lunge bleibt. Es dringt über ACE2-Rezeptoren in die Zellen ein, die vor allem in Typ-II-Zellen tief in der Lunge vorhanden sind – von dort aus breitet sich der Schaden jedoch oft aus.

Es sind nicht nur die Lungen, die leiden. Wir haben Patienten mit Nierenproblemen, Gefäßentzündungen, Darmproblemen und sogar neurologischen Auswirkungen gesehen. Es ist ein Virus, das sich nicht an die üblichen Regeln hält. Und sehr oft ist es die Reaktion des Immunsystems – nicht nur das Virus selbst -, die zu Komplikationen führt.

Bei einigen Patienten mit COVID-19 ist es nicht nur das Virus, das Schaden anrichtet, sondern auch das körpereigene Abwehrsystem, das zu weit geht.

Wenn das Immunsystem auf Hochtouren läuft

Normalerweise fährt das Immunsystem hoch, um eine Infektion zu bekämpfen, aber manchmal weiß es nicht, wann es aufhören soll. Es feuert weiterhin Signale – wie IL-6 und TNF-alpha – ab, auch wenn diese ihre Aufgabe erfüllt haben. Wenn dies geschieht, baut sich die Entzündung schnell auf, insbesondere in der Lunge.

Dies nennen wir einen Zytokinsturm. Anstatt den Körper zu schützen, beginnt er, gesundes Gewebe anzugreifen. Die Atmung wird erschwert. Der Sauerstoffgehalt sinkt. Und in vielen Fällen kann die Lunge nicht mehr aus eigener Kraft funktionieren.

Dies ist nicht nur ein klinisches Problem – es ist ein Wettlauf mit der Zeit. Wenn ein Patient dieses Stadium erreicht hat, braucht er oft Intensivpflege oder mechanische Beatmung. Einige erholen sich. Andere nicht. Deshalb ist ein frühzeitiges Eingreifen so wichtig.

Konventionelle COVID-19-Therapien: hilfreich, aber unvollständig

Wir haben viele Ansätze ausprobiert – antivirale Medikamente wie Remdesivir, Kortikosteroide wie Dexamethason, monoklonale Antikörper, Plasmainfusionen. Einige helfen. Andere nicht. Viele sind mit Abstrichen verbunden.

Ja, Steroide können Entzündungen verringern. Aber sie schwächen auch die Abwehrkräfte des Körpers.
Antivirale Mittel verlangsamen die Replikation, reparieren aber nicht den Schaden.
Und biologische Behandlungen wie IL-6-Blocker sind für einige wenige nützlich, aber nicht immer.

Was wir bis vor kurzem noch nicht hatten, war eine Behandlung, die mit dem Körper zusammenarbeitet, um die Entzündung zu beruhigen und den Wiederaufbau von geschädigtem Lungengewebe zu unterstützen. Das macht die MSC-Therapie zu einem so vielversprechenden Schritt nach vorn.

Was Stammzellen im Kampf gegen COVID-19 auszeichnet

Stammzellen, bzw. MSCs sind keine Medikamente. Sie sind lebende, reaktionsfähige Zellen mit der Fähigkeit, Entzündungen und Verletzungen zu erkennen. Sie sind in Nabelschnur, Fettgewebe und Knochenmark zu finden und interagieren mit dem Immunsystem auf eine Weise, die übermäßige Entzündungen unterdrückt, ohne sie vollständig zu unterbinden.

Sie setzen eine Mischung aus Wachstumsfaktoren, Exosomen und immunregulierenden Proteinen frei, die zur Beruhigung des Immunsturms beitragen und die Reparatur des Lungengewebes unterstützen.

Die verwendeten MSZ stammen aus gespendetem Nabelschnurgewebe, werden auf Sicherheit geprüft und unter GMP-zertifizierten Bedingungen kultiviert. Dies gewährleistet nicht nur eine hohe klinische Qualität, sondern auch Rückverfolgbarkeit und Patientensicherheit während der gesamten Behandlung.

Beweise aus klinischen Studien und Ergebnisse aus der Praxis

Die klinischen Daten nehmen stetig zu. In einer ersten Studie wurden sieben COVID-19-Patienten – von leicht bis kritisch – mit aus der Nabelschnur stammenden MSC behandelt. Die Ergebnisse zeigten einen deutlichen Anstieg von IL-10 (einem wichtigen entzündungshemmenden Botenstoff) und einen Rückgang von TNF-alpha, das einen Großteil der schädlichen Entzündung verursacht.

Eine andere Studie mit ARDS-Patienten ergab, dass MSC-behandelte Personen eine bessere Sauerstoffversorgung, ein besseres Gleichgewicht der Immunzellen und sichtbare Verbesserungen bei Lungenscans aufwiesen. Wichtig ist, dass MSZ nicht über die Eintrittsrezeptoren des Virus (ACE2 oder TMPRSS2) verfügen, so dass sie selbst nicht infiziert werden können, selbst wenn sie während einer aktiven Virusinfektion infundiert werden.

Studien zeigen immer wieder, dass MSCs:

  • Reduzierung entzündlicher Zytokine
  • Verbesserung der Lungenfunktion und der Sauerstoffversorgung
  • Unterstützung des Überlebens von schwerkranken Patienten
  • ein geringes Risiko für unerwünschte Wirkungen bergen

Stammzelltherapie für COVID-19

Wie MSCs funktionieren: Ein Blick auf ihre Mechanismen

Die Stärke von MSZ liegt in ihrer Fähigkeit, auf mehreren Ebenen des Krankheitsprozesses zu intervenieren.
Zu ihren biologischen Aufgaben gehören:

  • Immunomodulation: MSCs reduzieren die übermäßige Aktivität von T-Zellen, fördern regulatorische T-Zellen und helfen Immunzellen wie Makrophagen, in den Gewebeheilungsmodus zu wechseln.
  • Antifibrotische Wirkung: Sie sezernieren Wachstumsfaktoren wie HGF und KGF, die die Bildung von Narbengewebe in der Lunge verringern.
  • Antivirale Unterstützung: Über ihre Exosomen liefern sie Signale, die die Virusvermehrung verlangsamen und die Koordination des Immunsystems unterstützen.
  • Geweberegeneration: MSCs stimulieren die körpereigenen Reparatursysteme – sie fördern das Wachstum gesunder Zellen und stellen die Funktion geschädigter Bereiche wieder her.

Studien haben gezeigt, dass MSC-Vesikel schützende Substanzen wie miR-455, IL-10 und anti-apoptotische Proteine enthalten – sie bieten einen vielseitigen Schutz.

Was die Patienten erleben: Ergebnisse aus der realen Welt

In der klinischen Praxis berichten Patienten, die in der kritischen Phase von COVID-19 mit MSZ behandelt werden, oft schon in den ersten Tagen über deutliche Verbesserungen:

  • Rückgang von Markern wie CRP und IL-6 Bessere Sauerstoffsättigung und Lungenfunktion
  • Geringere Abhängigkeit von Beatmungsgeräten
  • Stabilisierte Immunparameter (T-Zell-Profile, CD-Marker)
  • Die Patienten beschreiben auch, dass sie weniger kurzatmig sind, mehr Energie haben und sich geistig schneller erholen. In vielen Fällen konnte durch eine frühzeitige MSC-Behandlung die Einweisung in die Intensivstation ganz vermieden werden.

In unserem Zentrum zeigten Personen, die mit antiviralen Medikamenten oder Steroiden keine Fortschritte erzielt hatten, oft schon innerhalb der ersten Woche der MSC-Therapie Anzeichen einer Stabilisierung der Lunge – mit anhaltender Verbesserung über zwei bis drei Wochen.

Sicherheit und ethische Verwendung von Stammzellen

Jede MSC-Charge, die in unserer Klinik verwendet wird, unterliegt strengen Qualitätskontrollen. Die Spender geben eine informierte Einwilligung, und das Material wird auf Hepatitis, HIV, CMV und Syphilis getestet. Die Produktion erfolgt nach den Vorschriften der Guten Herstellungspraxis (GMP).

Was die Sicherheit gewährleistet:

  • MSCs haben keine ACE2- oder TMPRSS2-Rezeptoren – sie können kein SARS-CoV-2 übertragen
  • Ihr Immunprofil ermöglicht die sichere Verwendung auch von nicht verwandten Spendern
  • Studien haben kein krebserregendes Potenzial gezeigt (Tumorigenität)

Patientensicherheit ist nicht verhandelbar – sie ist die Grundlage für unsere klinischen Entscheidungen.

Die Zukunft der Stammzelltherapie in der Viralmedizin

COVID-19 hat ein neues Denken über regenerative Therapien bei Infektionskrankheiten ausgelöst. Was einst experimentell war, hält nun Einzug in die klinische Praxis.

MSCs werden jetzt in untersucht:

  • Lange COVID und postvirale Müdigkeit
  • ARDS bei anderen Virusinfektionen wie Grippe
  • Störungen der Überaktivierung des Immunsystems
  • esPost-COVID Lungenfibrose

Künftige Entwicklungen könnten inhalierbare Stammzellformulierungen oder maßgeschneiderte Exosomen-Therapien umfassen, die auf das individuelle Immunprofil eines Patienten abgestimmt sind.

Eine persönliche Reflexion: Was dies für mich als Arzt bedeutet

Die Stammzelltherapie hat ein neues Kapitel in der Medizin aufgeschlagen. Für mich ist sie mehr als eine Behandlung – sie ist eine Möglichkeit, dem Körper zu helfen, sich von innen heraus neu zu erholen.

Hier geht es nicht um die Jagd nach Wundermitteln. Es geht darum, die Wissenschaft mit der Fähigkeit des Körpers zur Heilung in Einklang zu bringen. Für Patienten mit schwerem COVID-19 bietet die MSC-Therapie etwas, was nur wenige Behandlungen können: die Chance, nicht nur zu überleben, sondern wirklich zu genesen.

Das letzte Wort: Von Beweisen zu mitfühlendem Handeln

Der Weg von der Petrischale zum Krankenbett ist lang, aber bei der MSC-Therapie bei COVID-19 sehen wir endlich, dass die klinische Realität die zellulären Versprechen einholt. Ich habe diese Therapien mit großer Umsicht eingesetzt, wobei ich mich von den Erkenntnissen leiten ließ und den Weg jedes einzelnen Patienten mit großem Respekt verfolgte.

Stammzellen sind keine Zauberei. Aber wenn sie richtig eingesetzt werden, sind sie Medizin auf ihrer tiefsten Ebene – lebendig, anpassungsfähig und heilend. Und das ist für mich die Zukunft.

Namensnennung:
Auszug aus dem Kapitel veröffentlicht in Biotechnology to Combat COVID-19 (IntechOpen). Originalquelle: https://www.intechopen.com/chapters/75704
lizenziert unter: Creative Commons Attribution 3.0 (CC BY 3.0) Autor(en): Duygu Koyuncu Irmak & Erdal Karaöz – Siehe IntechOpen für weitere Informationen zum Autor

Kurzbiographie von Prof. Dr. Erdal Karaöz und Dr. Duygu Koyuncu Irmak

Prof. Dr. Erdal Karaözist ein weltweit anerkannter Spitzenforscher auf dem Gebiet der Stammzellforschung und verfügt über mehr als zwei Jahrzehnte Erfahrung in den Bereichen regenerative Medizin, Zelltherapie und Tissue Engineering. Er bekleidete akademische und Forschungspositionen an führenden Institutionen, darunter die Harvard University und die University of Oxford. Prof. Karaöz hat zahlreiche Veröffentlichungen in von Experten begutachteten Fachzeitschriften veröffentlicht und eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung klinischer Anwendungen mesenchymaler Stammzellen gespielt.
Dr. Duygu Koyuncu Irmak ist eine Wissenschaftlerin, die sich auf regenerative Medizin und Stammzellbiologie spezialisiert hat. Ihre Arbeit konzentriert sich auf die Entwicklung translationaler Therapien für immunbedingte und virale Krankheiten, einschließlich COVID-19. Mit ihrem Hintergrund in molekularer Zellbiologie und klinischen Anwendungen trägt sie dazu bei, wissenschaftliche Forschung mit patientenzentrierten Innovationen in der Zelltherapie zu verbinden.

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